Lebenslanges Lernen: Alles über Waldpädagogik
Vom Wurzelwerk bis hin die Baumkronen gibt es im Wald viel zu entdecken – und zu verstehen. Die Waldpädagogik ist die wissenschaftlich fundierte Bildungsform, durch die Menschen aller Altersgruppen den Wald als lebendiges Ökosystem kennenlernen. Ihr Ziel ist es, eine dauerhafte Verbindung zwischen Mensch und Natur zu schaffen – durch unmittelbares Erleben, praktisches Lernen und Erfahrungen mit allen Sinnen.

Waldpädagogik – was ist das eigentlich?
Die Waldpädagogik ist eine Form der Naturpädagogik, die ganzheitliches Lernen und praktisches Erleben im Wald fördert. Sie umfasst alle Lernprozesse, die den Lebensraum Wald und seine Funktionen betreffen und richtet sich an Menschen in allen Altersgruppen.
Neben Waldpflege, Holznutzung und Gestaltung des Waldes als Erholungsraum gehört sie zu den forstlichen Aufgaben. Im Jahr 2007 hat sich die Forstchefkonferenz auf eine gemeinsame Definition geeinigt, die Grundlage für einen bundesländerübergreifenden, gemeinsamen Qualifikationsrahmen ist:
„Waldpädagogik ist qualifizierte waldbezogene Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Waldpädagogik umfasst alle den Lebensraum Wald und seine Funktionen betreffenden Lernprozesse, die den Einzelnen und die Gesellschaft in die Lage versetzen, langfristig, ganzheitlich und dem Gemeinwohl verpflichtet und damit verantwortungsvoll sowie zukunftsfähig zu denken und zu handeln. Ein wichtiges Kernthema der Waldpädagogik ist Nachhaltigkeit, insbesondere der nachhaltige Umgang mit der natürlichen Ressource Wald. In diesem Sinne fördert Waldpädagogik auch das Verständnis und die Akzeptanz für nachhaltige und multifunktionale Waldbewirtschaftung.“
Die Waldpädagogik ist eine relativ junge Disziplin. In Deutschland entstand sie erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts – durchaus als Reaktion auf eine zunehmende Entfremdung von Mensch und Natur und dem Aufkommen neuer Bildungsansätze. Im Landeswaldgesetz von Baden-Württemberg ist die Waldpädagogik als Bildungsauftrag seit 1995 in § 65 LWaldG als Aufgabe der Forstbehörden festgelegt. Andere Bundesländer haben ähnliche Formulierungen in ihren jeweiligen Landeswaldgesetzen.

Hierbei nutzt die Waldpädagogik vielfältige Methoden, die sich stets an der jeweiligen Zielgruppe orientieren. Viele Veranstaltungen sind organisiert und bieten direkten, interaktiven Kontakt zu Forstleuten oder speziell tätigen Waldpädagog:innen. Andere haben informellen Charakter – wie Erlebnispfade oder einzelne digitale Angebote (z.B. digitale digitale Schnitzeljagd Actionbound in Weinheim).
Zu den typischen Methoden zählen beispielsweise
- Waldpädagogische Veranstaltungen (halb-/ganz- bzw. mehrtägig),
- interaktive Bildungsangebote (online, offline oder gemischt) sowie
- praktische Projekte und Arbeiten im Wald wie Biotopgestaltung oder Baumpflanzungen.
Ziele der Waldpädagogik: Wurzeln schlagen
Das übergreifende Ziel aller waldpädagogischen Maßnahmen ist es, Wissen, Verständnis und Wertschätzung für unsere Wälder zu vermitteln. Dadurch soll nachhaltiges Handeln im Umgang mit Naturressourcen gefördert werden. Die Waldpädagogik hilft Menschen, die fundamentale Bedeutung von Waldökosystemen für unser Leben zu begreifen – was in einer urbanisierten Welt häufig gar nicht so einfach ist. Damit einher gehen auch die Anerkennung und Werbung für forstliche Berufe, also jene Menschen, die sich tagtäglich um unsere Wälder kümmern.
Schnittstelle zwischen Forstexperten und Allgemeinheit
Wer in einem Beruf arbeitet, der viel Fachwissen erfordert, verfällt gerne mal in Fachjargon – da geht es Forstleuten wahrscheinlich nicht anders als IT-Profis oder Juristinnen. Weil sich jedoch möglichst die gesamte Gesellschaft für das Wohlergehen der Wälder verantwortlich fühlen soll, braucht es eine Brücke zwischen Fachleuten und der breiten Öffentlichkeit.
Hier setzt die Waldpädagogik an: Sie übersetzt komplexe forstwissenschaftliche Zusammenhänge in verständliche, erlebbare Formate. So fördert sie Verständnis für den Wald, forstliche Maßnahmen und Naturschutzstrategien.
Bewusstsein für den Wald und seinen Erhalt schaffen
Im Wald passiert wenig von heute auf morgen, vor allem Strategien zum Naturschutz sind Projekte mit einem Zeitrahmen über mehrere Jahrzehnte. Das Wissen um Schutz, Pflege und korrekte Bewirtschaftung von Wäldern muss daher von Generation zu Generation weitergetragen werden.

Die Waldpädagogik schafft deshalb ein nachhaltiges Bewusstsein für den Wald in der Gesellschaft. Sie vermittelt dabei nicht nur Fakten, sondern weckt auch emotionale Verbindungen. Dadurch motiviert sie auch zu eigenverantwortlichem Handeln im Sinne der Wälder. Außerdem macht sie erlebbar, was Wald und multifunktionale Forstwirtschaft sind.
„Waldpädagogik ist wichtig, weil sie Bezüge zwischen dem Wald und der eigenen Lebenswelt schafft und grundlegende Zusammenhänge erklärt“, sagt Förster und Waldpädagoge Johannes von Stemm (ForstBW). „Dabei regt sie an, das eigene Werteverständnis und das Verhalten zu reflektieren und sich die Konsequenzen des eigenen Handelns bewusst zu machen.“
Zugänglichkeit für verschiedene Zielgruppen
Wer eine möglichst breite Öffentlichkeit erreichen möchte, muss die unterschiedlichen Bedürfnisse berücksichtigen. Denn natürlich gibt es Kinder, die seit jeher viel Zeit in der Natur verbringen und Erwachsene, die bisher nur wenig Berührungspunkte mit dem Wald hatten – genauso wie andersherum und alles dazwischen.
Waldpädagogische Angebote richten sich deshalb an unterschiedliche Altersgruppen und Zielgruppen. Kindergärten, Grundschulkinder oder Oberstufenklassen, soziale benachteiligte Gruppen oder Kinder aus finanziell schwachen Milieus, Familien, Betriebe, Erholungssuchende und Tourismus oder interessierte Erwachsene: jede Zielgruppe kann so maßgeschneiderte Lernerfahrungen im und mit dem Wald machen.

Wer bietet Waldpädagogik an?
Waldpädagogische Angebote werden von verschiedenen Akteuren und Institutionen durchgeführt. Das können öffentliche Einrichtungen genauso wie unabhängige Einzelpersonen sein. Der Vorteil dabei ist, dass sie jeweils ihre eigenen Schwerpunkte und Expertisen einbringen.
Forstleute
Försterinnen und Förster spielen eine zentrale Rolle in der Waldpädagogik. Diese Aufgabe gehört zu ihrem Berufsbild und ermöglicht es ihnen, ihre umfangreichen Erfahrungen aus der Praxis weiterzugeben.
- Die unteren Forstbehörden sind für waldpädagogische Programme in den Stadt- und Landkreisen zuständig. Die Landesforstverwaltung koordiniert und unterstützt die Angebote.
- Für den Staatswald bietet ForstBW entsprechende Programme an.
Über den gemeinsamen Webauftritt Waldbox kann man den Kontakt zu den Försterinnen und Förstern vor Ort aufnehmen.

Viele Forstleute erreichen heutzutage auch über Social Media ein an Waldthemen interessiertes Publikum. Beispiele aus Baden-Württemberg sind Achim Klausner (@foerster__klaus), Forstamt Rastatt (@forstamt_rastatt) oder ForstBW (@forstbw).
Vereine
Zahlreiche Wald- und Naturschutzvereine engagieren sich ebenfalls in der Waldpädagogik. Für sie ist die Information der Öffentlichkeit ein wichtiger Teil ihrer gemeinnützigen Arbeit. Ein bekanntes Beispiel ist einer der Mitgliedsvereine des Landeswaldverbands, die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald e.V., die mit ihren Waldmobilen landesweit unterwegs ist und mobile Bildungsangebote durchführt.
Darüber hinaus existieren verschiedene lokale Vereine, die sich für die Etablierung oder Ausweitung von waldpädagogischen Angeboten vor Ort einsetzen. Vereine stehen zudem oft hinter Waldkindergärten – ein Konzept aus Skandinavien, das seit den Neunzigerjahren auch vermehrt in Deutschland Anklang findet.
Freie Waldpädagogen
Eine wichtige Rolle für die zuverlässige Bereitstellung von Bildungsangeboten spielen freie Waldpädagoginnen und -pädagogen. Diese gut ausgebildeten und in der Regel staatlich zertifizierten Fachleute werden teilweise in die Angebote von ForstBW und der Landesforstverwaltung eingebunden oder bieten ihre Angebote direkt an.
Sie bringen spezifisches pädagogisches Know-how mit und können flexibel eingesetzt werden. Dadurch ist ihre Tätigkeit auch in Bereichen hilfreich, in denen waldpädagogische Strukturen ausgebaut oder erst noch geschaffen werden sollen.

Wie wird man eigentlich Waldpädagogin?
Der Pfad zur Waldpädagogin oder des Waldpädagogen kann auf verschiedene Weisen beschritten werden. Die wichtigste Gemeinsamkeit ist, dass seriöse Fachleute in diesem Bereich über eine umfangreiche Ausbildung sowie die staatliche Anerkennung verfügen.
Ausbildung & Studium
Viele Waldpädagogen haben einen beruflichen oder akademischen Hintergrund in verwandten Feldern. Häufige Grundlagen sind Ausbildungen oder Studiengänge in Bereichen wie
- Forstwirtschaft bzw. Forstwissenschaften,
- Umweltwissenschaften,
- Biologie oder
- Pädagogik.
Diese Ausbildungen vermitteln das notwendige Fachwissen über Waldökosysteme und pädagogische Methoden.
Die Verbindung dieser beiden Bereiche ist wichtig – denn Waldpädagogen müssen nicht nur selbst gut über den Wald Bescheid wissen, sondern ihre Kenntnisse auch zielgruppengerecht vermitteln.
Fortbildungen & Zertifikate
Um als Waldpädagoge tätig zu werden, gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Fortbildung und staatlichen Zertifizierung. Viele Bundesländer bieten spezielle Lehrgänge an, die mit einem anerkannten Zertifikat abschließen. In Baden-Württemberg bieten beispielsweise das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg und das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg sowie die SDW eine berufsbegleitende Fortbildung mit dem Abschluss „Zertifikat Waldpädagogik“ an.

Als staatlicher Forstbetrieb stellt ForstBW in Baden-Württemberg außerdem vielfältige Möglichkeiten zur Fortbildung in der Waldpädagogik an. Diese richten sich sowohl an Beschäftige von Landesforstverwaltung, ForstBW und kommunalen Forstverwaltungen als auch an pädagogisches Fachpersonal sowie freie Waldpädagoginnen- und -pädagogen.
Auch in anderen Bundesländern werden die Fort- und Weiterbildungen häufig gemeinsam von staatlichen und gemeinnützigen Forstinstitutionen angeboten. Die Zertifizierung als staatlich geprüfter Waldpädagoge ist oft Voraussetzung für eine professionelle Tätigkeit in diesem Feld.
Waldpädagogik per Fernstudium – ist das möglich?
Ein eigenständiges Fernstudium Waldpädagogik gibt es derzeit nicht. Neben dem staatlichen Zertifikat Waldpädagogik gibt es in ganz Deutschland verschiedene Anbieter, die Qualifikationen in Natur- und Umweltpädagogik per Fernstudium anbieten. Diese werden meist von privaten Unternehmen bereitgestellt und sind daher in der Regel kostenpflichtig.
Interessierte sollten in jedem Fall darauf achten, dass das jeweilige Angebot durch eine offizielle Behörde, wie die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht, anerkannt ist. Zudem lohnt es sich, vorab Informationen einzuholen, ob die Inhalte des Fernstudiums auch zum angestrebten weiteren Berufs- oder Bildungsweg passen.
Was verdient man als Waldpädagoge?
Das Einkommen in der Waldpädagogik variiert stark je nach Arbeitgeber und Beschäftigungsform. Angestellte bei staatlichen Forstbetrieben oder Umweltbildungseinrichtungen haben oft ein festes Gehalt, das sich an den Tarifen des öffentlichen Dienstes orientiert.
Freiberufliche Waldpädagogen hingegen müssen ihre Einnahmen selbst kalkulieren und sind von der Nachfrage nach ihren Angeboten abhängig. Die Verdienstmöglichkeiten fallen daher sehr unterschiedlich aus. Sie reichen von einem Nebenverdienst bis hin zu einem Vollzeiteinkommen.

Aktuelle Herausforderungen in der Waldpädagogik
Obwohl die Bedeutung der Waldpädagogik offensichtlich immens ist, steht sie derzeit vor erheblichen Herausforderungen. Dazu zählen Veränderungen im Wald durch den Klimawandel, aber auch die stärkere Berücksichtigung von Inklusion und Migration, Personalmangel sowie die Frage der Finanzierung. Die Auswirkungen zeigen sich in allen Beschäftigungsformen und Bundesländern.
Auch im Wald gilt: Bildung braucht Personal und Geld
Forstleute stehen vor der Herausforderung, dass der Personalmangel und das Nachwuchsproblem in der Branche ihre Kapazitäten für pädagogische Aufgaben einschränken. Viele Förster sind bereits mit der Waldpflege stark ausgelastet und müssen zusätzlich noch Zeit für Bildungsangebote finden.
Auch bei staatlichen oder kommunalen Einrichtungen wie ForstBW fehlen zunehmend die finanziellen Mittel für waldpädagogische Angebote. Dieser Engpass betrifft nicht nur das eigene Personal, sondern auch freie Waldpädagoginnen, für die die Kooperation mit großen Partnern ein wichtiger Stützpfeiler für ihre Existenz ist.
Ökosystem Wald und Gesellschaft im Wandel
Durch die vielerorts deutlich sichtbaren Auswirkungen von Klimawandel und Artensterben wächst das Bedürfnis in der Öffentlichkeit, die Natur besser zu verstehen und zu schützen. Ein verständlicher Anspruch, dem Waldpädagoginnen natürlich gerne gerecht werden wollen. Das erfordert einerseits aktuelle pädagogische Angebote, die Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit liefern.
Andererseits verlaufen viele prognostizierte Prozesse des Klimawandels schneller oder intensiver als gedacht. Gleichzeitig ergeben sich aus den gesellschaftlichen Veränderungen neue Anforderungen. Um dieser Dynamik Rechnung zu tragen und stets auf dem neusten Stand der Erkenntnisse zu sein, müssen Waldpädagogen ihr Fachwissen laufend weiterentwickeln. Angesichts der ohnehin schon hohen Nachfrage an Waldbildung stellt das eine weitere Herausforderung für alle dar, die hochwertige und aktuelle Waldpädagogik bereitstellen möchten.
Fazit: Waldpädagogik ist essenziell für den langfristigen Erhalt unserer Wälder

Die Waldpädagogik ist unerlässlich für ein bewusstes Verhältnis zwischen Menschen und Wäldern. Dennoch stehen die Bildungsangebote derzeit sowohl in Baden-Württemberg als auch deutschlandweit vor schwierigen Herausforderungen.
Deshalb setzt sich der Landeswaldverband mit seinen Mitgliedsvereinen aktiv für die Stärkung der Waldpädagogik ein. Unsere Positionen und aktuellen Pressemitteilungen zu diesem wichtigen Thema werden laufend ergänzt.
Weiterführende Informationen:
- Waldnaturschutz und Waldpädagogik sind kein Luxus: Zumeldung des Landeswaldverbands (14.11.2024)
- Keine Kürzungen beim Wald in der Klimakrise: Gemeinsame Pressemitteilung von Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, NABU Baden-Württemberg und Landeswaldverband (28.10.2024)
- Waldbox: Das gemeinsame Angebot von ForstBW und Landesforstverwaltung Baden-Württemberg
- Haus des Waldes: Das landesweite Kompetenzzentrum für Waldpädagogik in Baden-Württemberg von ForstBW
- Schutzgemeinschaft Deutscher Wald: Waldpädagogische Angebote in Baden-Württemberg und in ganz Deutschland
Quellen:
- Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg: Waldpädagogik-Konzeption Baden-Württemberg
- Bayrische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft: Waldpädagogik in Europa – mit neuen Ideen in die Zukunft (aus LWF aktuell 143, Autor: Dirk Schmechel)