Schutz vor Waldbrand geht nur mit Klimaschutz!
Einrichtung eines sektorenübergreifenden Managements von Waldbrandrisiken für Baden-Württemberg gefordert.
Gemeinsame Pressemitteilung von LWV und NABU mit Unterstützung der Arbeitsgruppe Feuerökologie (MPI für Chemie / Universität Freiburg)
Stuttgart, den 16.08.2022.
„Die aktuelle Dürre in Europa ist ein Vorbote dessen, was uns mit dem Klimawandel noch bevorsteht“, sagen Dietmar Hellmann, Vorsitzender des Landeswaldverbands Baden-Württemberg und Johannes Enssle, Landesvorsitzender des NABU. „Das oberste Gebot ist daher, den Klimaschutz konsequent voranzutreiben! Wer den Wald schützen will, muss das Klima schützen.„
Der Klimawandel setzt den Wäldern im Land zu
„Der menschgemachte Klimawandel ist überall im Land spürbar. Die Wälder in Baden-Württemberg stehen in den letzten Jahren immer stärker unter dem Einfluss von trockenheißen Sommern. Teilweise sind die Waldböden tief ausgetrocknet und die Bäume sterben ganz oder teilweise ab“, fasst Hellmann die brenzlige Ausgangslage zusammen. „Deswegen gilt: Runter mit der Emission von Treibhausgasen aus fossilen Rohstoffen!“
Das Waldbrandrisiko steigt – Das Wissen zu Prävention und Bekämpfung muss in die Fläche!
„Das Waldbrandrisiko in Baden-Württemberg steigt kontinuierlich! Training, Ausstattung und zwischenbehördliche Zusammenarbeit bei der Prävention und Bekämpfung von Waldbränden müssen nun landesweit umgesetzt werden, damit uns Bilder wie aus Berlin, Brandenburg und der Sächsischen Schweiz erspart bleiben!“, unterstreicht Prof. Dr. Johann Georg Goldammer, Leiter der Arbeitsgruppe Feuerökologie und des Zentrums für Globale Feuerüberwachung in Freiburg.
„Das Freiburger Modell kann hier als Wegweiser dienen. In diesem seit 2012 aufgebauten Modellvorhaben erhält das Forstpersonal des städtischen Forstamts dieselbe Ausbildung wie die Feuerwehr Freiburg. Außerdem verfügen die Forstleute über eine leichte Grundausrüstung für den Erstangriff eines Waldbrands. Dieses Modell hat sich seit einigen Jahren bewährt.“
Landeswaldverband und NABU fordern Veränderungen
Vor dem Hintergrund des steigenden Waldbrandrisikos in den Wäldern Baden-Württembergs fordern der Landeswaldverband und der NABU gemeinsam:
- Waldbrandrisiko senken heißt sofort weniger Treibhausgase emittieren! Der Wald hat „Fieber“ und nur eine Reduzierung der mittleren Atmosphärentemperatur bringt die benötigte Linderung! Wer den Wald schützen will, muss das Klima schützen!
- Die politischen Ressorts müssen sich auf Landesebene zur gemeinsamen Aufgabe „Waldbrandrisikomanagement“ bekennen. Im Sinne einer „Querschnittsaufgabe“ müssen Zuständigkeiten und Verfahren zwischen den Ressorts klar geregelt werden.
- Die in den Ressorts angesiedelten Aufgaben Naturschutz, Waldbewirtschaftung und Waldbrandprävention und -bekämpfung müssen zusammengeführt und vernetzt werden.
- Die Landesregierung muss zügig ein wissenschaftlich belegtes und in der Praxis erprobtes Waldbrandrisikomanagement in ganz Baden-Württemberg etablieren.
- Feuerwehren und Forstpartien müssen konsequent mit der modernsten Technik zur Waldbrandbekämpfung ausgestattet werden. Das Forstpersonal, insbesondere in den gefährdeten Revieren der Rheinebene, muss sofort die benötigte Ausbildung und die erforderlichen Geräte erhalten.
- Der aktive Waldumbau hin zu klimaresilienten Mischwäldern muss im Hinblick auf das Waldrisiko weiter beschleunigt und forciert werden. Dabei ist auch zu überprüfen, welche Förderinstrumente die Waldbrandprävention unterstützen können.
- Die Zusammenarbeit von Waldbesitz, Forstbetrieben Verwaltung, ForstBW und Feuerwehr muss schnell flächendeckend ausgebaut und fixiert werden.
- Die Feuerwehren in hoch priorisierten Waldbrandregionen müssen zeitnah mit Drohnen zur Aufklärung und Unterstützung der Bekämpfung von Waldbränden ausgestattet werden.
Gutes Management von Waldbrandrisiken ist seit Jahren bekannt!
„Die Dynamik von Waldbränden ist seit Jahrzehnten erforscht und immer wieder kommen Forschungsprojekte zu den gleichen Erkenntnissen. Die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden muss festgelegt und eingespielt sein, damit man im Brandfall nicht wieder komplett bei null anfängt. Da sehe ich die Landesregierung in der Pflicht!“, fordert Hellmann.
Naturschutz und Waldbewirtschaftung ergänzen sich beim Brandschutz
Wie Naturschutz und Waldbau bei der Waldbrandprävention zusammenwirken, erläutert Johannes Enssle, Vorsitzender des NABU Baden-Württemberg: „Waldsäume und Waldinnenränder entlang von Waldwegen sind gute Beispiele für die doppelte Wirksamkeit von Naturschutzmaßnahmen. Diese lebendigen „Grünen Bänder“ beherbergen einen hohen Artenreichtum, wenn sie durch die Waldbewirtschaftung gepflegt und erhalten werden.“
Enssle weiter: „Bei Dürre und im Brandfall sind es genau diese grünen Naturschutzlinien, die eine Ausbreitung von Feuer erschweren und weitere Waldflächen und Siedlungen vor Bränden schützen!“
Gut, dass die Wälder in Baden-Württemberg einen Vorsprung haben!
„Klimaresiliente, reich strukturierte und laubaumreiche Mischwälder tragen in sich ein wesentlich geringeres Risiko für Waldbrände. Deswegen fördern wir sie durch unser Waldmanagement. Das ist eine Jahrhundertaufgabe! Die Wälder vor dem Abbrennen zu schützen ist aber nicht das einzige Ziel“, führt Hellmann aus.
„Wir müssen sie bewusst auch so gestalten, dass Feuer sich langsamer ausbreiten können und nicht auf wichtige Infrastruktur und Siedlungen übergreifen.“ Hellmann betont die Bedeutung der naturnahen Waldbewirtschaftung für die Waldbrandvorsorge: „Naturschutz und Waldbewirtschaftung können sich sehr gut ergänzen! Zusätzlich müssen die vorhandenen Instrumente der Förderrichtlinie für die Nachhaltige Waldwirtschaft auch daraufhin überprüft werden, ob sie sich zur Waldbrandprävention eignen.“
„In Baden-Württemberg werden seit mehreren Jahrzehnten naturnahe und laubbaumreiche Wälder entwickelt. Der Nadelbaumanteil sinkt kontinuierlich – das bringt im Hinblick auf die Waldbrandrisiken ebenfalls große Vorteile“, bestätigt Goldammer. „Wir wissen derzeit aber noch nicht, ob sich diese Waldstrukturen, die sich im bisherigen gemäßigten Klima bewährt haben, auch im kommenden Klima mit extremen Dürren und Hitzewellen werden halten können. Die ansteigende Kronenverlichtung von Buchenbeständen ist ein Warnsignal.“
Wildnis und Brandvorsorge müssen ineinandergreifen
Zuletzt spricht Enssle den Zusammenhang zwischen hohen Totholzanteilen in naturnahen Wäldern und Brandrisiko an: „Totholz ist das Lebenselixier für viele bedrohte Waldarten. Übertriebene Waldbrandprävention darf nicht dazu führen, dass wir den Wald leerfegen. Es braucht ein vernünftiges und fein abgestimmtes Waldbrandrisikomanagement, das beides ermöglicht: Naturschutz und Waldbrandprävention. Ich denke, dass das mit einem klugen Konzept möglich ist.“
Hierzu kommentiert Goldammer das Freiburger Modell in Hinblick auf den Waldbau: „Die vielfachen Funktionen des Waldes können nicht gleichermaßen auf allen Flächen erreicht werden. So wichtig Prozessschutzflächen für die Sicherung der Biodiversität sind, sie können das Risiko schwerer Brände bergen. Eine stärkere räumliche Gliederung der Wälder würde es erlauben, Flächen hohen Brandrisikos durch die genannten „Grünen Bänder“ oder Waldbrandkorridore räumlich zu trennen und so abzusichern. Auch sollten dort die positiven Erfahrungen von Pilotprojekten in der kontrollierten Waldweide so bald wie möglich in der Fläche umgesetzt werden.“
Die Pressemitteilung zum Herunterladen
Die Pressemitteilung im PDF-Format zum Herunterladen.
Weiterführende Informationen
Hintergrundinformationen zum Global Fire Monitoring Center und zur Arbeitsgruppe Feuerökologie am Max-Planck-Institut für Chemie und an der Universität Freiburg.
Aktuelle Forschung zum Waldbrandrisikomanagement an der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg.
Aktuelle Pressemitteilungen des NABU Baden-Württemberg.
Zur Waldbrandsituation in Baden-Württemberg berichtete der SWR.